Der Weiße Schöps ist ein östlicher Zufluss des Schwarzen Schöps im sächsischen Landkreis Görlitz. Am nördlichen Rand des Tagebaus wurde er vor 20 Jahren vollständig kanalisiert. Das war das Ergebnis einer ersten Flussverlegung. Mit der Wiederaufnahme der Förderung im Tagebau Reichwalde ist nun eine Fortsetzung der Flussverlegung geplant, da der Tagebau ab 2015 in das Nordfeld des Tagebaus einschwenken wird. Aus diesem Grund wird eine erneute Verlegung des Weißen Schöps bis Ende 2014 notwendig.

Donnerstag, 7. Februar 2013

Ein Blick in die Archäologie

Die Spätmittelalterliche Turmburg von Altliebel

Diese Woche begeben wir uns in ein ganz neues Forschungsfeld und beschäftigen uns mit einem archäologischen Fundplatz, der zwischen dem Tagebau Reichwalde und der neuen Flussstrecke des Weißen Schöps entdeckt wurde.

Der Tagebau Reichwalde und die Umverlegung des Weißen Schöps bieten für die Archäologie ein einmaliges Forschungsfenster und eröffnen interessante Einblicke in die Geschichte unserer Region. Verschiedene Ausgrabungen in dem zukünftigen Abbaugebiet des Tagebaus deuten auf Siedlungsstrukturen seit dem Spätneolithikum (ein von 2600–2100 v. Chr. dauernder Abschnitt der Jungsteinzeit Mitteleuropas) und die Nutzung natürlicher regionaler Ressourcen wie Holz und Raseneisenstein hin.


Pfahlsetzungen, Foto S. Balogh

Einen ganz besonderen Fund stellen dabei zufällig entdeckte Pfahlsetzungen bei Altliebel dar. Ein Blick in die Forschungsgeschichte zeigt, dass bereits 1826/27 erste Ausgrabungen durch den Besitzer des ehemaligen Gutshauses in Altliebel stattfanden. Auch ein gewisser Lehrer Brühl aus Mocholz berichtete 1840 über die Grabungsergebnisse. Die Entdeckungen wurden jedoch nicht weiter verfolgt, bis 2008 einige Pfahlsetzungen bei Baggerarbeiten zufällig wiederentdeckt wurden. Im Auftrag des Landesamtes für Archäologie in Dresden wurde von einem Team von Mitarbeitern unter der Leitung des Grabungstechnikers Josephus Janssen die flächige archäologische Untersuchung durchgeführt.


Standort der Turmburg im Luftbild, Foto: M. Agthe 1990 (Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum)

Die Vermutungen der Archäologen bestätigten sich relativ schnell und so konnten sie anhand der ausgegrabenen Pfahlsetzungen, auf eine Turmburg schließen. Die sogenannten Turmhügelburgen waren von Irland bis Polen weit verbreitet und wurden in der Zeit zwischen dem 10. und 15. Jahrhundert errichtet, wobei der Schwerpunkt der Entstehung auf das 11. und 12. Jahrhundert datiert werden kann. Bei Turmhügelburgen handelt es sich in der Regel um kleine Burgen des niederen Adels, die ihren Ursprung in Frankreich haben und in der Forschung unter dem Begriff „Motte“ bekannt sind. Typische Merkmale sind die Holzbauweise der Burg auf einem künstlich angelegten Erdhügel, mit dem meist turmförmigen Gebäude auf der Hügelspitze. Zur Absicherung der Turmburg waren diese zumeist von Wasser oder Morast umgeben und nur über einen gut einzusehenden Weg erreichbar. 


Vorstellungen einer Turmburg nach A. Dürer 1497

Die Archäologen entdeckten in Altliebel die Reste eines quadratischen Turmes, der von einer Palisade eingefasst war. Die Altliebeler Turmburg war vermutlich von einem moorigen Gebiet umgeben, so dass der Zugang zur Burg, über eine Brücke bzw. über einen Steg erfolgen musste. Von der Standhaftigkeit der Turmburg zeugen Pfahlgründungen die über  4 Meter unter der Geländeoberkante reichten. Nach Auswertung einer Dendroanalyse, einer Datierungsmethode über das Baumalter des Holzes, kann die Entstehung der Turmhügelburg gegenwärtig um das Jahr 1400 n. Chr. datiert werden.

In engem Zusammenhang mit der Turmhügelburg vermuten die Archäologen auch die Herrschaftsgeschichte der Familie Metzradt, eine Familie die im 13. Jahrhundert aus Holland nach Bautzen eingewandert ist. Sie gehörten vermutlich dem Stand des Ministerialadels an. Vom 13. bis in ins 14. Jahrhundert vermehrte die Familie Metzradt ihre Ländereien um Besitzungen in Milkel, Klitten und Reichwalde, wobei sie im 14. Jahrhundert den Höhepunkt ihrer Familiendynastie erreichte. Auch in Liebel (Altliebel) sind Familienmitglieder der Metzradts von 1396 bis 1664 wohnhaft dokumentiert. Die Vermutung legt nahe, dass Familienmitglieder der Metzradts die Turmhügelburg errichtet sowie bewohnt haben. Im Jahr 1655 wurde der Ort Liebel (Altliebel) jedoch an die Standesherrschaft Muskau verkauft, worauf auch die Familienmitglieder der Metzradts den Ort vollständig verließen[1]


Familienbild der Metzradt aus dem 17. Jh. (Bauer 2008, Abb. 3, S. 8): Umzeichnung der Grabplatte von Uhyst, Vorlage: Kulturhistorisches Museum Görlitz (J.G. Schulz, Altertümer und Denkmäler II. Teil-1, Bl. 195)

Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig die Arbeit der Archäologen für die Dokumentation und die Konservierung der Geschichte unserer Region ist. Dank der Finanzierung durch Vattenfall, kann das Landesamt für Archäologie in Dresden Wissenschaftler und Mitarbeiter beauftragen, vor der großen Umgrabung noch ein paar kleine Ausgrabungen mit Blick in die Geschichte vorzunehmen.

An dieser Stelle möchten wir uns auch ganz herzlich bei den Archäologen Peter Schöneburg und Jos Janssen sowie dem Landesamt für Archäologie für die Zusammenarbeit und die interessanten Informationen bedanken.

In der nächsten Woche werfen wir einen Blick auf den Anschluss des Weißen Schöps und beschäftigen uns etwas ausführlicher mit der Ertüchtigung des Schwarzen Schöps. Bis dahin wünschen wir Ihnen eine schöne Woche und bleiben Sie neugierig.

Steffi Tusche und Kathrin Kambor von ihrem ArTour-Team in Rietschen


[1] Die historischen Fakten wurden von M. Bauer zusammengetragen (M. Bauer: Wasser , Holz und Eisenstein. Herrschaft, Gewerbe und Landwirtschaft im Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet. Spitzkunnersdorf  2008.)

1 Kommentar:

  1. Sehr interessanter Blick in die Geschichte..
    Danke für die tollen Informationen auf dieser Seite.

    Freundliche Grüße.

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